Sonnenblume, Lupinen und rote Blüten
Mädchenkopf
Schauspielerin
Frauenkopf

Emil Nolde

Sonnenblume, Lupinen und rote Blüten

Um 1948/50
Aquarell auf Japan
33,4 x 39,7 cm


Blumen sind zeitlebens ein unerschöpflicher Quell der Inspiration für das Schaffen Emil Noldes. Schon auf Alsen läßt Nolde Blumen wachsen und schafft so ein „kleines Paradies“, das von den Bauern der Insel ebenso bestaunt wird wie von Besuchern des Künstlers. Später kultiviert er die Schönheit der blühenden Natur in seinem geliebten Garten in Seebüll, dessen Wege noch heute von prachtvollen Beeten gesäumt sind. Die hier entstandenen Blumen-Aquarelle sind inzwischen zum Inbegriff einer farbstarken und unnachahmlich stimmungsvollen Kunst geworden, in der sich spontane Naturanschauung und durchgeistigte Vision vereinen.

Unsere „Sonnenblume, Lupinen und rote Blüten“ komponiert Nolde um 1950 mit gewohnter Zügigkeit und großer Virtuosität. Dabei überträgt er die faszinierenden Naturphänomene von Werden, Wachsen und Vergehen in ein poetisches Kräftespiel der Farben: Während das ausgeglichene Grün der Pflanzenstiele sich zurücknimmt, dominiert das satte Rot der zwei Blüten sowie das Gelb der großen Sonnenblume, das von der Komplementärfarbe der Lupinen spannungsreich flankiert wird.

Emil Nolde

Mädchenkopf

Um 1925-1930
Aquarell auf Japan
45,7 x 30,6 cm


Der Mädchenkopf – vielleicht der eines friesischen Kindes aus Noldes norddeutscher Heimat – gehört vermutlich zu einer Reihe von Bildnissen die um 1925-30 entstehen. Es sind keine Portraits im eigentlichen Sinne, denn Personen können selten zugeordnet werden. Vielmehr schafft Nolde einen Archetypus, nimmt sich die Freiheit, das Bildnis als künstlerische Projektionsfläche für Spirituelles, elementare Gefühle und Stimmungen zu verwenden. Die Farben entwickeln dabei eine Eigengesetzlichkeit, sind „weinend und lachend, Traum und Glück, heiß und heilig! […] Farben in Schwingungen wie […] Leidenschaft und Liebe, Blut und Tod.“

Es ist schwer sich Noldes bemerkenswerten Figurendarstellungen von überzeitlicher Kraft zu entziehen. Ihre malerische Qualität und einnehmende Wirkung bergen eine magische Atmosphäre und nicht selten sinnbildhafte Dimension. Unser äußerst farbfrisches Aquarell ist ein beeindruckendes Beispiel dafür; die stechend schwarz-blauen Knopfaugen des jungen Mädchens und ihre intensiv blau leuchtende Jacke entfachen diese unnachahmliche Ausstrahlung Nolde‘scher Bildnisse. Nolde setzt die Farben nicht nur neben-, sondern übereinander – eine Aquarelltechnik, die sich immer wieder bei ihm findet. Dadurch wird der Kampf der Komplementärfarben noch verstärkt: Das hellere Orange versucht sich erst gegen das Hellrot und dann gegen das überlagernde, strahlende Blau durchzusetzen und in den Vordergrund zu drängen; dank dieses Nass in Nass-Verfahrens erreicht Nolde diese einzigartige Leuchtkraft. Zur Formfindung gelangt er nicht durch Konturen, sondern einzelne starke Akzente wie die der Haare, Lippen, Augen oder rosigen Wangen und ansonsten durch fast eine fast abstrakte Modellierung und transparente Farbverläufe. Nolde zelebriert hier diesen freien meditativen Schaffensprozess.

Emil Nolde

Schauspielerin

1910/11
Aquarell und Tuschfeder auf Japan
28,5 x 21,3 cm


Im Winter 1910/11 wird das Nachtleben der Metropole Berlin für den Künstler zu einem zentralen Thema. Er gerät in einen wahren Schaffensrausch und widmet sich in vielen Aquarellen und Tuschpinselzeichnungen der nächtlichen Großstadt. In glühenden Farben malt Nolde das schillernde Leben des Theaters und der Maskenbälle, von Varieté und Tanzsaal. Unsere „Schauspielerin“ gibt eine solche Szene wieder. Die Formen sind hier auf das Wesentliche vereinfacht, die Protagonistin und Bildgegenstände erscheinen als kontrastreiche farbige Flächen, bei denen Nolde fast komplett auf Plastizität und Räumlichkeit verzichtet. Die magische Lichtwirkung einer Bühnensituation wird hier potenziert, der Künstler erzeugt so eine faszinierende Stimmung.

Erstaunlicherweise erreichen die Figurendarstellungen im Œuvre Emil Noldes noch immer nicht dieselbe Beachtung wie seine Landschaften und Blumendarstellungen. Dabei sind die überlieferten Szenen nicht nur von zumeist außergewöhnlicher künstlerischer Qualität, sondern bergen auch eine ganz eigene magische Atmosphäre und eine nicht selten sinnbildhafte Dimension. Unser phantastisches Aquarell ist ein beeindruckendes Beispiel dafür und zeigt auch die tiefe Ausdruckskraft von Noldes Farben und die Expressivität seiner gestischen Malweise.

Emil Nolde

Frauenkopf

1912
Holzschnitt auf festem Velin
30,2 x 22,3 cm


Unser Exemplar ist einer von mindestens 10 Abzügen des dritten Zustands.

Nach dem Originalholzschnitt wird der "Frauenkopf" im Oktober 1919 in der Zeitschrift "Der Anbruch" als ganzseitiges Titelbild publiziert.
Die Zeitschrift mit dem Untertitel "Flugblätter aus der Zeit" beabsichtigt und verkündet in ihren programmatischen Einleitungen das Bedürfnis der jungen Generation nach politischer und künstlerischer Erneuerung während des Ersten Weltkrieges. Die graphischen Beiträge expressionistischer Künstler machen dabei teils 50 Prozent des Umfangs aus und tragen so zur Etablierung der künsterlischen Avantgarde bei.

Über Emil Nolde

Geboren: 1867 in Nolde
Gestorben: 1956 in Seebüll

Emil Hansen, der später als Künstler den Namen seines Heimatortes Nolde annimmt, wird am 7. August 1867 im deutsch-dänischen Grenzland geboren. Seine künstlerischen Anfänge hat er mit Darstellungen von Bergtrollen und Fabelwesen, die als Postkarten verlegt werden, und mit denen dem jungen aus einer Bauernfamilie stammenden Künstler unverhofft ein erster Erfolg gelingt. Mit dem Entschluss Maler zu werden, geht Nolde nach München, wo er an der privaten Malschule von Adolf Hölzel in Dachau und ab 1899 an der Académie Julian in Paris studiert. Durch die Auseinandersetzung mit den Neoimpressionisten van Gogh, Munch und Ensor gelangt der Künstler ab 1905 von seinem anfänglich romantischen Naturalismus zu einem eigenständigen Stil, in dem die Farbe eine wesentliche Rolle spielt. Farbintensive leuchtende Blumenaquarelle entstehen. Während eines Aufenthaltes in Alsen 1906 lernt Nolde die „Brücke“-Maler kennen, deren Gruppe er sich vorübergehend anschließt. Nach dem Ausschluss von der „Berliner Sezession“, dessen Mitglied er seit 1908 war, gründet er 1910 mit anderen zurückgewiesenen Künstlern die „Neue Sezession“. Auch ist der Künstler zunehmend vom Primitivismus fasziniert; so bringt er 1913 von einer Expedition nach Neu-Guinea reiches Studienmaterial mit, das er in zahlreichen Werken noch bis 1915 verarbeitet. Die Sommer verbringt Nolde ab 1916 auf der Insel Föhr, 1928 läßt er sich in Seebüll nieder. Zur unerschöpflichen Inspirationsquelle seiner Malerei wird der dort angelegte Garten. Küsten, leuchtende Marsch- und Meerlandschaften und religiöse Szenen sind weitere wichtige Sujets, aber auch die weniger bekannten Berglandschaften, die aus den zahlreichen Urlauben in seine Wahlheimat Schweiz in den 1920er bis 40er Jahren resultieren.

Noldes Rolle während der Zeit des Nationalsozialismus wird seit Jahren von der kunsthistorischen Forschung, allen voran der Nolde-Stiftung umfassend beleuchtet. Bestrebungen des Malers, seine Bilder den nationalsozialistischen Machthabern als neue Volkskunst anzudienen und sich als Staatskünstler zu etablieren, werden von diesen kategorisch abgelehnt. Noldes Malerei ist weder inhaltlich noch formal mit den Vorstellungen der Nationalsozialisten vereinbar. Ab 1941 wird dem Künstler ein Arbeitsverbot auferlegt und tausende Werke werden beschlagnahmt. Trotzdem arbeitet Nolde während des Krieges kontinuierlich weiter. Da Malmaterial knapp ist, greift er auf das wenige Verfügbare und kleinere Formate zurück – die unter dem Begriff „ungemalte Bilder“ bekannten Werke entstehen ab 1931. Nach dem Krieg verfaßt Nolde seinen Memoiren und treibt damit auch die Mythenbildung um die eigene Person voran, die sein Bild für nachfolgende Generationen prägen soll. Die neueste Forschung zeigt diesbezüglich mittlerweile ein sehr differenzierteres Bild von der Person Emil Nolde und seiner politischen wie ideologischen Position – seine Kunst jedoch steht für sich und hat für heutige Betrachter nichts von ihrer faszinierenden Strahlkraft mit ihrer unverkennbaren Farbintensität eingebüßt.

In den letzten Lebensjahren Noldes entstehen vor allem Aquarelle mit Blumen- und Landschaftsmotiven aus der Umgebung seines Hauses in Seebüll, wo er 1956 verstirbt. Kurz darauf gründet sich die Stiftung Ada und Emil Nolde in Seebüll, die den umfangreichen Nachlaß verwaltet.