Brautschau (Ghosties)
Dorf in Sachsen-Weimar
Schiffe am Hafenquai
Alte Seebären (Old shellbacks)
Auf dem Ausguck (Longshore men)
Merry Christmas (Three Figures)
Teltow, 1
Treptow an der Rega

Lyonel Feininger

Brautschau (Ghosties)

1955
Aquarell, Tuschfeder und Pastell auf Bütten (mit Wz.)
18,3 x 21,7 cm


In seinen späten Figurenaquarellen, den sogenannten "Ghosties", knüpft Feininger an eine Formenwelt an, die er als Illustrator und Zeichner von Karikaturen in den frühen Pariser Jahren seiner Künstlerschaft entwickelt. Die Serie von persiflierten „Gespenstern“, welche Zeit seines Lebens weder ausgestellt noch verkauft werden und ausschließlich als Geschenke an Familie oder Freunde bestimmt sind, zeigen verschrobene, meist fröhliche Figuren oder sog. „Männekins“, die Feininger in seinem typischen kantigen, linearen Duktus zu Papier bringt.
Mit wenigen Federstrichen sind vier Geister umrissen, hinterfangen werden sie von schattenartigen Umrissen in grauer bzw. schwarzer Aquarellfarbe sowie einer graublauen Aquarellierung. Zusätzlich versetzt Feininger die Komposition durch starke Farbakzente in Gelb, Blau, Orange und Rot in den Gewändern der Figuren in Spannung. Durch die Mimik und Gestik der Gespenster kann der Betrachter den hier offenbar geführten zwischenmenschlichen Dialog förmlich spüren und hören. Steht hier ein gehörnter „Teufel“ (rechts) vielleicht seiner zukünftigen Ehefrau (in Weiß und zwischen den skeptischen Eltern) gegenüber? Verso bezeichnet Feininger das Werk mit „Brautschau“.

Nicht selten illustriert Feininger in diesen witzigen und geistreichen Zeichnungen Szenen aus seinem eigenen Familienleben. Und somit ist unser herrliches Blatt nicht ganz allein der Phantasie entsprungen, sondern einmal mehr ein kleiner Ausschnitt aus einem überaus ereignisreichen und bewegten Leben, ein Zeugnis der Reflexion gesammelter menschlicher Erfahrungen. Nicht ohne Grund ist dieses Kleinod für seine Frau Julia bestimmt, erkennbar an dem Vermerk „x“, einem von Feiningers Sammlerzeichen.

Lyonel Feininger

Dorf in Sachsen-Weimar

1918
Holzschnitt auf festem Velin
17,4 x 22 cm


Unser Holzschnitt ist extrem selten und hat unikalen Charakter. Es existiert keine Auflage, laut Prasse gibt es nur einige Probedrucke auf verschiedenen Papieren, wovon sich das bisher einzige bekannte Exemplar in den Kunstsammlungen Weimar befindet.

„Die Dörfer, wohl über Hundert, in der Umgebung sind prachtvoll! Die Architektur (sie wissen ja, wie ich von der ausgehe!) ist mir gerade recht, so anregend, zum Teil so ungemein monumental! [...]“, schreibt Feininger. In diesem Sinne ist der Künstler während der späten 1910er Jahre in Thüringen und im Weimarer Umland unterwegs und wohl auch von einem Dorf fasziniert, dessen Häuser und Architektur er festhält. Der Titel unseres Drucks, „Sachsen-Weimar“ (bei Prasse als "Sächsisches Dorf" oder "Dorf in Sachsen" verzeichnet), stammt von Feininger selbst und bezieht sich wohl auf die alte Namensgebung des heutigen Bundeslandes Thüringen als "Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach" (damals einer der größten Staaten des Deutschen Reiches).

Stilistisch und kompositorisch dem Holzschnitt „Mellingen“ aus dem gleichen Jahr verwandt, zeigt Feininger die Ansicht einer in sich verschachtelten Häuserstruktur mit schwarz hervorgehobenen Fensteröffnungen. Die Architektur wird von Feininger typischerweise kubistisch zerlegt. Das von ihm so geschätzte Medium des Holzschnitts gibt ihm die Möglichkeit, das Gesehene nicht getreu des Naturvorbilds wiederzugeben, sondern auf das Elementarste, auf reine geometrische Formen und Linien zu reduzieren.

Lyonel Feininger

Schiffe am Hafenquai

1919
Holzschnitt auf gelbbraunem Durchschlagpapier
17,1 x 25 cm


Unser Abzug auf gelbbraunem Durchschlagpapier ist einer der seltenen Probedrucke und signierten Exemplare außerhalb der unsignierten Auflage (100 Exemplare) für: "Das Kunstblatt", Jg. 3, Heft 1, Januar 1919,
hrsg. von Paul Westheim, Potsdam/Berlin, 1917-21.

Mit dieser Graphik bringt Feininger 1919 als Erinnerung an die Ostsee eine weitere Version und einen prachtvollen Druck eines so geliebten Motivs zu Papier: Segelschiffe. Gerade abgetakelt liegen die beflaggten und majestätischen Schiffskörper am Quai bevor sie vermutlich wieder in die See stechen. Feininger löst die Komposition in seine einzigartige kristalline Gestaltungsweise auf, die besonders gut im Holzschnitt zum Tragen kommt: die Schooner, Masten, Gebäude, das Wasser und der Himmel sind auf das Elementarste, auf geometrische Formen und Schwarz-Weiß-Kontraste reduziert und so ineinander verschachtelt, daß Linien, Motive und Flächen ein dynamisches Kräftespiel und kaum mehr erkennbares Raumgefüge bilden. Verstärkt wird diese Konzeption durch den Kontrast des kräftigen Drucks von tiefem, sattem Schwarz und dem hellen Papier der unbedruckten lichtdurchfluteten Partien.

Lyonel Feininger

Alte Seebären (Old shellbacks)

1919
Holzschnitt auf Japan
12,8 x 18,6 cm


Unser auf Japanpapier gedrucktes Exemplar ist extrem selten, nur wenige Probedrucke auf diesem Papier sowie auf Durchschlagpapier existieren; die Verfasserin des WVZ bemerkt, daß einige dieser Drucke, wie auch unser Exemplar, von Feininger fälschlicherweise auf 1918 datiert sind. Insgesamt sind dem WVZ überhaupt nur zwei dieser Probedrucke, u.a. eines im MoMA, New York, bekannt.

Seit seiner Jugend prägen Feininger maritime Ereignisse, die See, der Hafen, die Küste, das Schiff, das ist seine Welt. Ab 1892 geben zahlreiche Reisen an die Nord- und Ostsee und eine selbst erlebte „Fangfahrt“ an Bord des Fischdampfers „Elbe“ (1893) Anstoß für die Verankerung und intensive Beschäftigung des Künstlers mit maritimen Sujets. 1911 und 1912 ist das „Schauen aufs Meer“ ein wiederkehrendes, beliebtes Motiv in Feiningers Arbeiten.

In unserem Holzschnitt, der von Feininger auch "Old tars" oder "Groteske" genannt wird, sehen wir sechs Hafenarbeiter, die wohl nach einem Frachtdampfer Ausschau halten. Feininger zeigt hier seine typische Bildsprache, die Erlebtes, Phantasie und Skurilles auf verspielte Weise vereint. Die überlangen groben Nasen und überzeichneten, karikierten Gesichter der Seemänner verraten Feiningers humoreske Züge und seinen Ursprung als Comiczeichner. Von rechts schreitet ein Seemann mit dampfender Pfeife und langem Spitzbart ins Bild – er verkörpert par excellence die im Titel angegebene liebevolle Bezeichnung eines "Seebären". So heißt auch eine Zeichnung von 1918, die unserem Druck vermutlich als Entwurf zugrunde liegt; die Komposition ist bereits spiegelverkehrt angelegt. Als Pendant zu unserem Holzschnitt existiert eine weitere Variante dieses Sujets, "Auf dem Ausguck" (1918), die zu den frühesten Holzschnitten des Künstlers gehört.

Lyonel Feininger

Auf dem Ausguck (Longshore men)

1918
Holzschnitt auf hauchdünnem Japan
14,9 x 22,9 cm


Unser auf Japanpapier gedrucktes Exemplar ist extrem selten, nur wenige Probedrucke auf diesem Papier sowie auf Durchschlagpapier bzw. Chinabütten sind bekannt, zwei davon laut WVZ in amerikanischen Museen. Zudem gehört er 1918 zu den ersten Holzschnitten des Künstlers überhaupt („Nr. 9“ im Werkverzeichnis).

Seit seiner Jugend prägen Feininger maritime Ereignisse, die See, der Hafen, die Küste, das Schiff, das ist seine Welt. Ab 1892 geben zahlreiche Reisen an die Nord- und Ostsee und eine selbst erlebte „Fangfahrt“ an Bord des Fischdampfers „Elbe“ (1893) Anstoß für die Verankerung und intensive Beschäftigung des Künstlers mit maritimen Sujets. 1911 und 1912 ist das „Schauen aufs Meer“ ein wiederkehrendes, beliebtes Motiv in Feiningers Arbeiten.

In dem Blatt, daß vom Künstler neben 'Longshore men' (Bezeichnung) auch 'Old shell backs' oder 'Waterside characters' genannt wird, sehen wir sechs Hafenarbeiter, die wohl nach einem Frachtdampfer Ausschau halten. Feininger zeigt hier seine typische Bildsprache, die Erlebtes, Phantasie und Skurilles auf humorvolle und verspielte Weise vereint. Die überlangen, spitzen Nasen und karikierten Gesichter der Seemänner verraten Feiningers Ursprung als Comiczeichner. Dazu kommt die symbolische Aufladung seiner Motive, vertreten durch den Arbeiter, der durch ein Fernrohr blickt, ein Gegenstand, der metaphorisch für Selbstreflexion und Weitsicht steht. Im Jahr 1918 entwirft Feininger eine ähnliche Figurenkonstellation, „Old shellbacks“ („Seebären“), aus der ein spiegelverkehrter Druck 1919 ("Alte Seebären") als Pendant und Variante unseres Motivs hervorgeht.

Lyonel Feininger

Merry Christmas (Three Figures)

Um 1950
Aquarell, Tuschfeder und Goldfarbe auf Velin
6,4 x 10,2 cm


Anfang der 1950er Jahre entstehen zahlreiche kleine, bunt aquarellierte Tuschfederzeichnungen, die lange unbekannt bleiben – sind die humorvollen, fröhlichen oder verschrobenen Strichmännchen doch ausschließlich als Geschenke an Familie oder Freunde bestimmt. Mit typischem kantigen Duktus bringt Feininger mit zarten Linien unsere drei Figuren zu Papier. Die typographische Bezeichnung 'Merry Christmas!' am oberen linken Rand läßt den Anlaß vermuten, zu dem die in Gelb, Orange und Blau gehaltenen Männekins entstanden sind.

Lyonel Feininger

Teltow, 1

1914
Radierung auf Velin
17,9 x 23,6 cm


Die Druckplatte wurde Anfang der 1950er Jahre nach Paris gebracht und dort von Oxidationserscheinungen gereinigt. Im Anschluß daran wurde auf Anlaß von Curt Valentin, New York, eine kleine Auflage von 25 Exemplaren bei Philippe Molinié in der Druckerei 'L'Imprimerie Lacourière' für den Künstler abgezogen, zu der auch unser tadelllos erhaltenes Blatt zählt.

Die Radierung ist eine Neuinterpretation der leider verschollenen Fassung in Öl von 1912: "I commenced an etching last night […] of the church of Teltow after the same composition as the oil […].“ (Siehe WVZ).
Dabei stellt die Technik der Radierung den Künstler vor besondere Herausforderungen. Mit „Teltow, 1“ gelingt ihm jedoch ein Meisterstück, eine filigrane, nuancenreiche Radierung voller Transparenz. Die Realität der Kirche im südlich von Berlin gelegenen Teltow wird zugunsten des expressiven Ausdrucks verzerrt. Wie neuartig und bedeutsam Feiningers Arbeit ist, verdeutlicht der Künstler selbst: „I have finished the etching of Teltow church, have washed it off and it looks promising. I think I have started on a new line of works with this one, no amalgamation, pure graphic without picturesque addition ...“.

Lyonel Feininger

Treptow an der Rega

1925
Bleistift auf Velin (am Oberrand perforiert und vom Künstler gelocht)
20,5 x 14,1 cm


Unsere Zeichnung entsteht im Jahr der Schließung des Bauhauses in Weimar, 1925. Diesen Sommer verbringt Feininger wie schon im Jahr zuvor in Deep, das an der Mündung des Flüßchens Rega in Pommern an der Ostsee liegt. Er besucht u.a. die nah gelegenen Ortschaften Cammin, Greifenberg, Kolberg und „Treptow“.
Einmal mehr wird anhand dieser Zeichnung deutlich, wie reichhaltig und künstlerisch wertvoll die „Natur-Notizen“ Feiningers sind. Als eine Art Herzensangelegenheit des Künstlers haben sie grundlegende Bedeutung für sein Œuvre.

Über Lyonel Feininger

Geboren: 1871 in New York
Gestorben: 1956 in New York

Lyonel Feininger wird am 17. Juli 1871 in New York als Sohn eines Konzertgeigers und einer Sängerin und Pianistin geboren. Mit 16 Jahren begleitet er 1887 seine Eltern auf eine Konzertreise nach Europa. Mit Erlaubnis der Eltern besucht der junge Feininger zunächst an der Gewerbeschule in Hamburg die Zeichen- und Malklasse, ein Jahr später besteht er die Aufnahmeprüfung an der Königlichen Kunst-Akademie in Berlin, an der er von 1888 bis 1892 studiert. In Berlin beginnt Feininger früh für Zeitungen und Verlage zu arbeiten, die Nachfrage nach seinen Illustrationen und Karikaturen ist enorm. Ab 1905 widmet sich Feininger zunehmend druckgrafischen Methoden, wobei ein Großteil seiner herausragenden Holzschnitte erst zwischen 1918-20 entstehen, für die er noch heute als bedeutendster Holzschneider des 20. Jahrhunderts gefeiert wird. 1907 unternimmt er erste Versuche in der Ölmalerei, die anfangs noch deutlich impressionistisch-naturalistisch eingefärbt sind. Feiningers Weg vom gefragten Karikaturisten zum Künstler ist eine stetige Erprobung unterschiedlichster Techniken und künstlerischer Ausdrucksmittel und sollte erst durch ein Kubismus-Erlebnis 1911 in Paris in eine für ihn wegweisende Richtung gelenkt werden: Natüreindrücke müssten "innerlich umgeformt und crystalisiert [!]" werden, hat er schon 1907 in einem Brief an seine zweite Frau Julia festgestellt – eine Einstellung, die später in der geometrisch-reduzierten Bildlichkeit mündet. Und ein entscheidendes künstlerisches Kapitel einleitet, für das der Künstler bis heute Bewunderung findet: die Welt kristallin zu gestalten. 1917 findet dessen erste Einzelausstellung in der Berliner Galerie „Der Sturm“ statt, zwei Jahre später gehört er zu den ersten Meistern, die Walter Gropius 1919 ans Bauhaus beruft. Als Meister für die grafische Werkstätte entsteht im gleichen Jahr Feiningers berühmter Titelholzchnitt "Kathedrale" für das "Bauhaus-Manifest". 1926-33 lebt Feininger in Dessau, ist nach der Bauhaus-Umsiedelung zwar noch Meister, jedoch ohne Lehrverpflichtung. 1926 bildet er mit Klee, Kandinsky und Jawlensky die Gemeinschaft „Die Blauen Vier“. 1929-31 entstehen die ikonischen Halle-Bilder. 1937 verlässt Feininger Deutschland und kehrt in sein Geburtsland zurück. Ungefähr 400 seiner Werke werden von den Nationalsozialisten als „entartet“ beschlagnahmt. 1947 wird Feininger Präsident der “Federation of American Painters and Sculptors“. Am 13. Januar 1956 verstirbt Lyonel Feininger in New York City.