Über Rainer Fetting

Rainer Fetting

Sitzender Akt

1981
Acryl auf Papier
85,5 x 61 cm

Unser Blatt ist ein Unikat aus einer Edition (Auflage 10) der Galerie am Moritzplatz, bestehend aus 11 Originalblättern verschiedener Künstler wie Luciano Castelli, Helmut Middendorf, Salomé oder Bernd Zimmer.
Die in West-Berlin gelegene Galerie am Moritzplatz ist Keimzelle der neo-expressionistisch eingestuften sog. „Neuen Wilden". Die beteiligten Künstler betreiben die Galerie selbst, befruchten sich und tauschen sich untereinander aus. Unsere Arbeit ist daher ein seltenes Zeugnis dieser Künstlerzusammenarbeit aus dem Auflösungsjahr der Galerie.

Fettings Arbeit zelebriert mit seinen breiten schwungvollen Pinselstrichen die Sinnlichkeit des weiblichen Körpers. Unser Aktbild erinnert dabei mit den holzschnittartigen Gesichtszügen stilistisch stark an die Expressionisten, etwa an Kirchners sowie Pechsteins Badende, oder an den Portrait-Stil Alexej von Jawlenskys.

Fetting und seine Malerfreunde sind nachts in der West-Berliner Clubszene unterwegs, u.a. im legendären "SO36", einem prominenten Ort der damaligen Subkultur. Hier lernt Fetting die Punk-Sängerin, Musikerin und Künstlerin Susanne Kuhnke kennen. Von dessen Persönlichkeit begeistert, malt er sie 1980/81 mehrmals; so kann es sein, daß sie auch in unserem Aktbild verewigt ist: "Susanne lernte ich in Kippenbergers Musikhalle SO36 kennen und war völlig beeindruckt von ihr. Sie wohnte gleich um die Ecke in einer Fabriketage [...] und studierte Kunst bei Walter Stöhrer. Ich lud sie oft zum Essen und Trinken im Exil ein, und irgendwann, ganz gut angetrunken, malten wir uns gegenseitig bei einer Session. [...]“. Ein großformatiges Ölbild mit dem Titel "Susanne II" aus dem selben Jahr (1980) zeigt ein stilistisch wie motivisch sehr vergleichbares Aktbild, weshalb unsere Papierarbeit vermutlich dasselbe Modell, nämlich Susanne Kuhnke, zeigt.

Fettings Rückbezug zum Expressionismus ist offensichtlich und zeigt einmal mehr seinen Hang zum Figurativen, der den einzelnen Menschen ins Zentrum seiner Darstellungen stellt. Fettings "wilde" Malerei aus den frühen 1980er Jahren zählt zu den gefragtesten Werken des Künstlers. Noch heute spürt der Betrachter die Atmosphäre jener Jahre sowie die unbändige Lust des Künstlers beim Malen. Somit ist unser Aktbild auch ein Zeugnis der revolutionären Berliner Kunst- und Kulturszene um 1980.