Kandinsky
Kandinsky am Harmonium
Kleines Grab
Mme Robert
Neujahrswunsch 1909
Neujahrswunsch 1911
Schlafendes Kind
Wäsche am Strand
Zinnien

Gabriele Münter

Kandinsky

1906
Farblinolschnitt in Braun, Blau, Hellblau, Grün, Gelb, Rosa und Weinrot auf feinem Japan
24,3 x 17,7 cm


Dieser berühmte Farbholzschnitt ist eine Rarität, da es insgesamt nur 6 Exemplare gibt (zwei befinden sich in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus, München), davon nur 5 farbige und ein Exemplar von der Schwarzplatte. Alle farbigen Drucke haben jeweils verschiedene Farbstellungen, somit ist unser Blatt wie ein Unikat zu werten.

Von Juni 1906 bis Juni 1907 lebt Gabriele Münter, seit 1902 Schülerin und Lebensgefährtin Kandinskys, mit ihm in Sèvres bei Paris, wo dieser erste Linolschnitt entsteht. Münter nutzt wie in allen weiteren Linolschnitten Spezialwasserfarben zur Einfärbung sowie ein dünnes Japan. Der individuelle Charakter unseres Abzuges wird darüber hinaus durch die malerische Einfärbung der Druckplatte mit dem Pinsel erzeugt, dessen Faktur dem Motiv zusätzlich Lebendigkeit verleiht.

Menschen und deren Darstellung stehen ein Leben lang im Fokus von Münter: „Bildnismalen ist die kühnste und schwerste, die geistigste, die äußerste Aufgabe für den Künstler. Über das Portrait hinaus zu kommen, kann nur der fordern, der noch nicht bis zu ihm vorgedrungen ist“, formuliert sie. Wie an unserem Beispiel des jungen Kandinsky mit Pfeife ersichtlich wird, sind Münters Portraits unvergleichlich ausdrucksstark und voller Intensität, sie erfaßt das Wesen ihres Portraitierten. Es ist das einzige reine Bildnis Kandinskys, das auf unnachahmliche Weise seinen vielfältigen Charakter einfängt: souverän, selbstbewußt und gleichzeitig distanziert läßt uns der Künstler mit einem eindringlichen, vielsagenden Blick zurück.

Das Motiv enthält zudem ebenfalls das künstlerische Charakteristikum von Münters Blättern: die Flächigkeit, eine klare treffsichere Linienführung und die Komprimierung der Form. Dabei verzichtet Münter im Vergleich zu "Kandinsky mit Harmonium" auf einen erzählerischen Hintergund; stattdessen wird dieser aus verschiedenen schwarz umrandeten Farbflächen gebildet, die an den Cloisonnismus Gaugins erinnern. Hierbei werden leuchtende und ungemischte Farbfelder durch breite, dunkle Umrisslinien getrennt, so daß dabei flache, ornamentale Kompositionen entstehen, deren Rhythmus von geschwungenen Konturlinien und Farbkontrasten vorgegeben ist. Münter könnte mit diesem Bildnis demnach die aktuellen französischen Einflüsse auf Kandinskys Werk spiegeln und auf dessen künstlerische Vorbilder anspielen.

In gewisser Weise setzt sie Kandinsky und ihrer schicksalhaften Beziehung zu ihm ein ganz persönliches Denkmal, denn trotz aller späteren Enttäuschungen hält sie fest, an Einfluß und Vorbild sei niemand mit ihm zu vergleichen, er habe ihr "[...] Talent geliebt, verstanden, geschützt und gefördert".

Gabriele Münter

Kandinsky am Harmonium

1907
Farblinolschnitt in Blau und Schwarz auf Japan
14,8 x 12,4 cm


Dieser Farblinolschnitt ist eine absolute Rarität, da es insgesamt nur 4 Exemplare gibt (davon 1 in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus in München). Alle Drucke haben verschiedene Farbstellungen, somit ist unser Blatt wie ein Unikat zu werten und vermutlich ist unser Abzug der einzig verbleibende, der nicht Teil einer öffentlichen Sammlung ist.

Der in Sèvres entstandene Farblinolschnitt steht für Münters Pariser Jahre mit Kandinsky, die auf beide ungeheuer befruchtend wirken – sie befreien sich jeweils von der akademischen Tradition. Ebenfalls besitzen beide ein großes Interesse an der Beziehung zwischen Musik und bildender Kunst. Daher zeigt Münter ihren Gefährten, der seit seiner Kindheit Cello und Klavier spielt, wohl bewußt in diesem für den Künstler so wichtigen Kontext, in der gemeinsamen Wohnung an seinem Harmonium musizierend.

Das Charakteristikum von Münters Linolschnitten ist die Flächigkeit, die klare und sichere Linienführung, die Komprimierung der Form und der gekonnte Umgang mit Licht- und Schattenpartien. In dem ihre Figur schräg von hinten, als Umriß bzw. Schatten gezeigt und in ein heimelige, intime Atmosphäre und klares Raumgefüge platziert wird, erhält die Komposition eine besondere Spannung und Lebendigkeit. Visuell äußerst reizvoll und raffiniert ist vor allem Münters Lichtregie: aus der Lampe mit dem strahlend weißen Schirm fällt Licht sowohl auf einzelne Finger und Tasten, die Hälfte des Notenblattes und die Blüten eines Straußes auf einer Wandkonsole. Münter steht hier in der Tradition des Jugendstils, der stark von Felix Valloton beeinflußt ist. Ein Kunstkritiker schreibt dazu 1910: "Die beiden Portraits à la Valloton [sic!] sind gross genommen und voller Leben [...]".

Gabriele Münter

Kleines Grab

1911
Öl auf leinwandstrukturiertem Karton
44,5 x 33 cm


1911, in der frühen Murnauer Phase, steht die Künstlerin in engem Austausch mit ihren Mitstreitern des „Blauer Reiter“, es ist das Gründungsjahr der Gruppe. Geprägt von Aufbruchstimmung und dem Willen Arbeiten direkt vor der Natur unter freiem Himmel zu malen, statt akademische "Pleinair"-Malerei, entstehen eine Reihe bedeutender Werke, die von Münters neu gewonnenen Ausdrucksmöglichkeiten zeugen. Stilleben, Arrangements mit religiösen Objekten und Ortsansichten mit Kirchen aus der Murnauer Umgebung sind häufige Motive dieser Zeit. Bereits 1909 malt Münter die "Grabkreuze in Kochel" während eines Besuches bei einem befreundeten Musiker und Komponisten. Ob unser Sujet auch von diesem Friedhof inspiriert ist oder ein Grab in Murnau zeigt, bleibt offen.

Unser „Kleines Grab“ zeugt von der großen Innovations- und Experimentierfreude Münters. Außer dem Kreuz und einer hoch aufragenden Lilie und Rabatten, ist die Farbe das bestimmende Element der Komposition. Eine breite Palette an Tönen, deren Reflexe und dazwischen lebhaft tanzende pastose Tupfer, entfachen eine regelrechte Farbexplosion. Räumliche Logik und die genaue Form der Gegenstände werden unwichtig – man begibt sich andächtig in die reine Farbwelt und Symbolik des Dargestellten. All das verleiht dem Bild eine seltene atmosphärische Dichte und Prägnanz. Die Künstlerin zollt damit nicht nur einfachen religiösen Gegenständen Respekt, sondern räumt ihnen die gleiche Bedeutung wie der „hohen Kunst“ ein – eine der zentralen Forderungen der neuen Künstlergemeinschaft "Blauer Reiter".

Münters Streben und Vision eine neue Malerei zu entwickeln, die radikale Abkehr vom spätimpressionistischen Malstil und eine Hinwendung zu einer expressiven Malerei, wird in diesem Werk deutlich sichtbar. Münter behauptet, Murnau und dessen Umgebung habe eine eigene Farbsprache: „Die Berge und die Dörfer, alles schien in Farben zu singen, die ich noch nie so gesehen hatte.“ Somit verkörpert das Gemälde nicht nur ihr Bedürfnis, eine tiefere Essenz der Dinge auszudrücken, das für ihre Arbeit prägend ist, sondern auch die fundamentale Verbundenheit der Künstlerin mit dem bayerischen Voralpenland. Das "Kleine Grab" ist zweifelsohne ein Meisterwerk Münters, was auch in der beeindruckenden Ausstellungshistorie des Bildes sowie der herausragenden Provenienz deutlich wird – derartige große Werke aus diesem Jahr finden sich meist nur noch in Museen.

Gabriele Münter

Mme Robert

1907
Farblinolschnitt in Schwarz, Türkis, Lila, Rosa und Braun auf Japan
17,7 x 11,9 cm


Von diesem höchst seltenen Handdruck existieren drei Exemplare neben den drei in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus in München befindlichen (insgesamt also 6). Alle Drucke haben verschiedene Farbstellungen, somit ist unser Blatt wie ein Unikat zu werten.

Von Juni 1906 bis Juni 1907 lebt Gabriele Münter mit Wassily Kandinsky in Sèvres bei Paris. Künstlerisch und insbesondere auf dem Gebiet der Druckgraphik entwickelt sie während ihres Frankreich-Aufenthaltes ihren eigenen Stil. Anregung findet sie dabei im neuen französischen Holzschnitt, der flächenhaften Darstellung und Formvereinfachung. Insbesondere die Technik des Linolschnitts erlaubt immer wieder neue Farbkompositionen innerhalb eines Motivs, was Münters Experimentierfreude entgegenkommt. So entwickelt Münter hierin eine erstaunliche Meisterschaft, die dem Werk zusätzlich einen seriellen Charakter verleiht, der an die berühmten Siebdrucke von Andy Warhol erinnert.

Münster portraitiert zwei weibliche Mitglieder der Familie „Robert“, Wirtsleute aus Paris. Ebenfalls 1907 entsteht die junge „Mlle A. Robert“ (WVZ-Nr. 10) und dann die ältere „Mme Robert“, dessen charaktervolles, leicht verschmitztes und weises Antlitz uns im Dreiviertelprofil fest im Blick hat. Münters Portraits sind unvergleichlich ausdrucksstark, originell und voller Intensität. Diese Portraits von Pariser Persönlichkeiten zeugen aber auch von einer großen stilistischen Nähe zu Kandinsky, etwa dessen Farbholzschnitt "Abschied" (1903), mit den dominanten, schwarz druckenden senkrechten Stegen und einer von Blautönen geprägten Einfärbung. Münter erreicht durch ihren Abstraktionsgrad und die dezente, harmonische Farbgebung sowie die kaum sichtbaren Konturen des Druckstockes jedoch einen ganz eigenen Reiz und Charme. Dies bestätigt auch Kandinsky, dem Münter diese Drucke zur Ansicht und Bewerung schickt: „Die Mme Roberts sind auch sehr gut (alle 3), wieder mit persönlichem Beigeschmack u. anziehend […]“.

Gabriele Münter

Neujahrswunsch 1909

1908
Farbholzschnitt in Blau, Grün, Rot, Gelb, Dunkelblau und Braun, im Blumentopf handkoloriert, auf transparentem Japan
8,4 x 11,9 cm


Eines von 30 (Hohberg bekannten) Exemplaren in unterschiedlicher Farbgebung, davon befinden sich zwei in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus/Gabriele Münter Stiftung, München. Es existieren zwei Varianten dieser Graphik, eine mit Jahreszahl und Monogramm im Blumentopf und eine nicht monogramierte, jedoch im Blumentopf handkolorierte. Unser Exemplar gehört zur letztgenannten Version (im WVZ Nr. 37.2).

Gabriele Münters druckgraphisches Werk, das überwiegend aus Holz- und Linolschnitten besteht, besticht durch seinen ausdrucksstarken und experimentellen Charakter. In den Jahren 1909-13 fertigt Münter Neujahrswünsche mit verschiedenen Motiven an, die sie an Bekannte und Freunde versendet. Unser schöner Farbholzschnitt verdeutlicht Münters Raffinesse, den spielerischen Umgang mit den graphischen Techniken sowie motivisch einen Hang zum Humoristischen und Spielerischen. Angeregt durch ihren damaligen Lebensgefährten Wassily Kandinsky entwickelt auch Münter eine Begeisterung für die Erzeugnisse der Volkskunst. Ihre Sammlung aus Hinterglasbildern, Heiligenfiguren und Spielzeug aus dem Erzgebirge, die sie u.a. in Murnau auf Konsolen, Schränkchen und Tischen arrangiert, integriert sie in ihre Stillleben – und offensichtlich auch in die Motive ihrer Graphik. Den ulkigen Vogel in knallbuntem Frack, einem Pinguin ähnlich, der vor einem Blumentopf und einem Kuchen steht, notiert Münter im Herbst 1908 in einem Skizzenbuch. Die Künstlerin zollt damit nicht nur einfachen Gegenständen Respekt, sondern räumt ihnen die gleiche Bedeutung wie der „hohen Kunst“ ein – eine der zentralen Forderungen der neuen Künstlergemeinschaft „Blauer Reiter“ zu der sie ab 1911 gehören wird.

Gabriele Münter

Neujahrswunsch 1911

1910
Farbholzschnitt in Blau, Grün, Rot, Gelb und Braun auf festem Japan
11 x 19,5 cm


Eines von 65 (Hohberg bekannten) Exemplaren in unterschiedlicher Farbgebung, davon sind zwei im Lenbachhaus, München.

Gabriele Münters druckgraphisches Werk, das überwiegend aus Holz- und Linolschnitten besteht, besticht durch seinen ausdrucksstarken und experimentellen Charakter. In den Jahren 1909-13 fertigt Münter Neujahrswünsche mit verschiedenen Motiven an, die sie an Bekannte und Freunde versendet. Unser schöner Farbholzschnitt verdeutlicht Münters Raffinesse, den spielerischen Umgang mit den graphischen Techniken sowie motivisch einen Hang zum Humoristischen und Spielerischen. Angeregt durch ihren damaligen Lebensgefährten Wassily Kandinsky entwickelt auch Münter eine Begeisterung für die Erzeugnisse der Volkskunst. Ihre Sammlung aus Hinterglasbildern, Heiligen- und Spielzeugfiguren aus dem Erzgebirge, die sie u.a. in Murnau auf Konsolen, Schränkchen und Tischen arrangiert, integriert sie in ihre Stillleben und offensichtlich auch in die Motive ihrer Graphik. So sind ein Huhn aus Steingut in ihrer Sammlung sowie zwei kleine Figuren, Hahn und Henne, womöglich die Inspiration für das zentral in unser Bild. Die Künstlerin zollt damit nicht nur einfachen Gegenständen Respekt, sondern räumt ihnen die gleiche Bedeutung wie der „hohen Kunst“ ein – eine der zentralen Forderungen der neuen Künstlergemeinschaft „Blauer Reiter“ zu der sie ab 1911 gehören wird.

Daß dieses Motiv und dieser Gruß etwas Besonderes ist, und nicht zuletzt für Kandinsky eine tiefere Bedeutung trägt, zeigt sich darin, daß dieser Druck wohl der einzige ist, den Kandinsky für sich behält. Später schenkt Nina Kandinsky es aus dem Nachlaß dem "Fonds Kandinsky" des Centre George Pompidou, Paris.

Gabriele Münter

Schlafendes Kind

1907-1908
Farblinolschnitt in Hellgrün, Moosgrün, Rot, Blau, Rosa und Gelb auf feinem Japan
16,8 x 23,8 cm


Dieser Farbholzschnitt ist eine absolute Rarität. In der Städtischen Galerie im Lenbachhaus befinden sich sechs von der Münter-Stiftung 1957 geschenkte Abzüge, alle mit unterschiedlichen Farbgebungen, zum Teil in Schwarz-Weiß. Ein einziges weiteres Exemplar – sehr wahrscheinlich unseres – ist dem WVZ bekannt. Zusätzlich wurde ein Exemplar 2017 auf einer Auktion angeboten (also insgesamt gibt es wohl 8 jeweils unterschiedliche Versionen dieser Graphik).

Gabriele Münters druckgraphisches Werk, das überwiegend aus Holz- und Linolschnitten besteht, besticht durch seinen ausdrucksstarken und experimentellen Charakter. Rund ein Viertel ihrer Graphiken entstehen während der Periode ihres Frühwerks bis 1908, nachdem sie Schülerin Kandinskys und gleichzeitig seine Lebensgefährtin ist. Unser Blatt zeugt von ihrer hervorragenden Umsetzungsfähigkeit von Bildkomposition und Linienführung. Münter gelingt eine meisterhafte, effektvolle wie ästhetische Farbgebung, eine Kombination aus zarten und kraftvollen Tönen. Das Sujet und die Umsetzung erinnert an die Kunst des Jugendstils und offenbart den Einfluß Kandinskys während der Pariser Jahre.
Das auf dem Bett zugedeckt liegende, blonde Mädchen samt Teddy, bewacht von einer Harlekinpuppe, ist die Nichte Gabriele Münters, Elfriede Schroeter, genannt „Friedel“. Münter hält sie bereits als Baby in zwei Holzschnitten fest. Dieses Motiv entsteht während ihres gemeinsamen Besuchs mit Kandinsky in der Berliner Wohnung ihrer Schwester 1908. Im selben Jahr setzt Münter diese Thematik mit der sog. "Spielzeug-Serie", einer Reihe höchst origineller Farblinolschnitte mit Spielzeugfiguren Friedels fort. Die Naivität des Motivs kombiniert Münter mit einem Gefühl für Ursprüngliches und Innerlichkeit sowie ihrem Interesse an Volkskunst.
Der Farbholzschnitt stammt aus der Sammlung Elly und Hans Konrad Roethel (deutscher Kunsthistoriker und von 1956 bis 1971 Direktor der Städtischen Galerie im Lenbachhaus) und gelangt dann in den Besitz des Sohnes Christoph, der ihn wiederum an den bedeutenden Sammler Jan Ahlers in Herford verkauft.

Gabriele Münter

Wäsche am Strand

1907/08
Farblinolschnitt in Blau, Grün, Rot, Gelb, Rosa und Braun auf feinem Japan
13,4 x 23,7 cm


Einer von 16 Abzügen in jeweils unterschiedlicher Farbstellung. Unser Druck gehört zu den gefragtesten und seltensten Graphiken der Moderne. Außer den drei in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus/Gabriele Münter Stiftung, München, vorhandenen Exemplaren sind 13 weitere bekannt – jedes für sich ein Unikat, da Münter bis zu sechs unterschiedliche Farbstöcke jedes Mal neu miteinander kombiniert. Dies verleiht dem Werk zusätzlich einen seriellen Charakter, der an die berühmten Siebdrucke von Andy Warhol erinnert.

Münters Experimentierfreude und erstaunliche Meisterschaft in der Beherrschung des Linolschnitts ist am Beispiel unseres Blattes hervorragend nachvollziehbar. Ihr Motiv entdeckt sie im Winter 1905: ein kleines Mädchen steht vor einer Wäscheleine am Strand der Bucht von Rapallo. Münter notiert dies sogleich in ihr Skizzenbuch, ebenso entstehen eine Kreidezeichnung, mehrere Photos und kleine Gemälde. Gegenüber diesen Entwürfen ist das Sujet im zwei Jahre später entstandenen Linolschnitt auf eine betörend schöne, abstrakte Formensprache verknappt. Es dominieren die Wäsche auf der horizontal gespannten Leine mit den dazugehörigen Schattenformationen. Faszinierend an diesem Druck sind neben dem hohen Abstraktionsgrad die dezente, harmonische Farbgebung und die kaum sichtbaren Konturen des Druckstockes. Rosel Gollek schreibt dazu 1977: „Schließlich komprimiert sich der banale Anlaß, der zufällige Augeneindruck in seiner Trivialität zu einer zeitlosen Gültigkeit, in der nahezu eine geschichtliche Dimension, Dichtung und Humor ganz unbemerkt mit ins Bild gelangen“.

Gabriele Münter

Zinnien

1941
Öl und Eitempera auf Bütten
63 x 48,5 cm


Gabriele Münter trägt als Gründungsmitglied des „Blauen Reiters“ und Schülerin von Wassily Kandinsky wesentlich zur Entwicklung der expressiven Malerei bei, indem sie Farbe als wesentlichen Ausdrucks- und Stimmungsträger des Bildes einsetzt und dabei Formen stark vereinfacht. So hält sie zeitlebens auch zahlreiche Blumenstücke fest. Der farbintensive Zinnienstrauß in einem rustikalen Steingutkrug wirkt in seiner Schlichtheit wie frisch im eigenen Garten gepflückt. Die reduzierte Komposition lebt allein durch die Wirkung der leuchtenden Farben. Gabriele Münter äußert sich zu ihrer Malerei selbst: „Alle meine Bilder stellen Momente meines Lebens dar, flüchtige, visuelle Augenblicke, meist rasch und spontan hingeworfen. Aber Malen ist wie plötzlich in tiefes Wasser springen, und ich weiß vorher nie, ob ich werde schwimmen können.“

Über Gabriele Münter

Geboren: 1877 in Berlin
Gestorben: 1962 in Murnau

Gabriele Münter zählt zu den großen Künstlerinnen der deutschen Moderne. Sie wird am 19. Februar 1877 als jüngste Tochter des Kaufmanns Carl Friedrich Münter in Berlin geboren. Die Eltern fördern das künstlerische Talent der Tochter und ermöglichen ihr den Besuch einer Damenkunstschule in Düsseldorf. Nach dem frühen Tod der Eltern reist Münter für zwei Jahre zu Verwandten nach Amerika, bis es sie 1901 nach München zieht, wo sie an der privaten Kunstschule „Phalanx“ auf Wassily Kandinsky trifft. Mit ihm beginnt Münter eine intensive Lebens- und Künstlerbeziehung, die sie von 1903 bis 1908 quer durch Europa führt. Das Jahr 1906/07 verbringen die beiden in Paris, wo sie auf die künstlerische Avantgarde treffen. Zurück in Deutschland beginnt eine produktive Zeit. Die Sommer verlebt das Paar in Murnau am Staffelsee, wo Münter 1909 ein Haus in der Kottmüllerstraße erwirbt. Dieses Haus, das durch die Zeit mit Kandinsky und seinen russischen Weggefährten, Marianne von Werefkin und Alexej von Jawlensky, im Volksmund das „Russenhaus“ genannt wird, entwickelt sich zu einem Künstler-Treffpunkt: auch Franz Marc und August Macke sind häufig zu Besuch und der Almanach „Der Blaue Reiter“ hat hier seinen Ursprung. Münter findet in der eindrucksvollen Kulisse der oberbayerischen Voralpen zu ihrer eigenen prägnanten Bildsprache, die auch von der Beschäftigung mit der für diese Region typischen Hinterglasmalerei geprägt ist. 1911/12 gelangt ihr mit Beteiligungen in den beiden Ausstellungen des „Blauen Reiters“ der künstlerische Durchbruch. Der Erste Weltkrieg beendet diese fruchtbare Zeit und bringt auch die Trennung von Kandinsky. Nach Jahren in Skandinavien und einem unsteten Wanderleben in Deutschland lässt sich Münter 1930 mit ihrem zweiten Lebensgefährten, dem Kunsthistoriker Johannes Eichner, wieder dauerhaft in Murnau nieder. Dort lebt und arbeitet sie bis zu ihrem Tod 1962.