Hermann Max Pechstein
Badende
Um 1910/11
Aquarell über blauer Kreide auf Velin
16,3 x 19,4 cm
Die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema „Badende/Akte“ im Freien steht zunächst in Zusammenhang mit Pechsteins Sommeraufenthalten an den Moritzburger Teichen. Doch auch seine Urlaube in Nidden auf der Kurischen Nehrung, sein selbst gewähltes „Malerparadies“, wo er insgesamt sechs Mal seit 1909 produktive Sommermonate verbringt, sind für dieses Sujet entscheidend. 1911 und 1912 widmet er diesem Thema zwei Holzschnittfolgen – der Zyklus „Badende“ entsteht 1911, die Folge „Sommer“ ein Jahr später. Und so sind alle drei Aktfiguren unseres Aquarelles in ihren Posen (spiegelverkehrt) fast eins zu eins in dem Holzschnitt „Die Badenden III“ (1911) übernommen.
Unser farbfrisches Blatt ist wohl aufgrund der gelb gefaßten Strukturen, die als Düne zu deuten sind, in der Umgebung Niddens mit seiner unberührten Natur entstanden. So notiert er in seinen „Erinnerungen“ 1911: „Jetzt hatte ich das große Glück, ständig einen Menschen in voller Natürlichkeit um mich zu haben, dessen Bewegungen ich aufsaugen konnte. So setzte ich mein Trachten fort, Mensch und Natur in eins zu erfassen, stärker und innerlicher als 1910 in Moritzburg“. Bei seinen Akten handelt es sich immer um ein und dieselbe Figur, nämlich Lotte, sein Modell, seit März 1911 auch seine Ehefrau, die in verschiedenen Posen und Haltungen in die grob erfaßten, stilisierten Landschaftsmuster eingebettet ist. Pechsteins Werk kündet von einer elementaren wie souveränen Naturerfahrung, „die Welt, mit allen menschlichen Zutaten darauf wird als Einheit empfunden und projiziert“, wie Paul Fechter 1921 schreibt. Über die erwähnte Holzschnittzyklus der „Badenden“ heißt es dort, das Thema des über allem schwebenden weiblichen Aktes beim Baden, sei für Pechstein Sinnbild für das Einswerden von Menschen, Dingen und Umwelt und ein „Gesang an die Frau“.
Hermann Max Pechstein
Fischerboote im Hafen
1922
Aquarell und Bleistift auf Velin
64,3 x 48,5 cm
1922 entdeckt Max Pechstein die aufblühende Hafenstadt Leba im damaligen Hinterpommern, das sich auch als Ostseebad einen Namen gemacht hat. Pechstein begibt sich – nachdem sein Paradies Nidden nach 1920 an Litauen geht – auf die Suche nach einem neuen "Strandquartier", einem Ort, "der nicht von Malern, Touristen und Badegästen überlaufen" ist, wie er in seinen Erinnerungen schreibt. Dort in Leba verbringt bis 1945 die Sommermonate und hier lernt er auch seine seine zweite Ehefrau Marta kennen. In diesem pommerschen Küstenort entstehen Kompositionen mit erneut starker und leuchtender Farbigkeit, aber gemäßigter Form, es ist ein Sich-Selbst-Wiederfinden des Künstlers. Unsere „Fischerboote im Hafen“ zeugen von diesem farbenfrohen Neubeginn des Künstlers. Das Aquarell illustriert die pittoresken unbemannten Fischkutter, die auf dem stillen Wasser des Hafens ruhen. Eine Photographie Erika Kruses aus dem Pechstein Archiv zeigt ihn, im Freien malend, scheinbar vor diesem Motiv stehend: voller Freude und Begeisterung für die heilsame, friedvolle Atmosphäre. Er verwendet in der mit schwungvollem Bleistift gesetzten Zeichnung harmonische und dezente Farbakkorde wie Grün- und Blautöne, hier und da von flirrendem Gelb akzentuiert. bringt er dieses Gefühl von Idylle und Eintracht zwischen Zivilisation und Natur meisterlich zu Papier.
Hermann Max Pechstein
Inder
1910
Rohrfeder und Farbkreide auf Karton (gelaufene Postkarte)
14 x 9 cm
Ein Zeugnis großer Zuneigung ist die vorliegende Postkarte, denn die Empfängerin der Grußworte, Charlotte, genannt "Lotte" Kaprolat, wird 1911 Pechsteins Frau werden. Im Winter 1908/09 hat der "Brücke"-Künstler das junge Mädchen im Berliner Atelier des Bildhauers Georg Kolbe kennengelernt. Bis 1920 wird sie sein bevorzugtes Modell bleiben. Pechstein schreibt:
'Herzlichen Gruß und in der Hoffnung auf baldiges Wiedersehen (unleserlich) […]'
Unser exotischer „Inder“ repräsentiert als Motiv einer Künstlerpostkarte darüberhinaus entscheidende formal-ästhetische Merkmale der frühen Werkphase des Künstlers: den expressionistischen „Brücke“-Stil, die Freiheit und Ekstase der Form und Farbe. In so einem Kleinformat notiert Pechstein, dem ab 1909 als freischaffender Künstler der Durchbruch gelingt, immer wieder Entwürfe für Bilder oder stilistische Errungenschaften. Die Aura von Menschen aus anderen Kulturkreisen faszinieren den Künstler in jenen Jahren, sie verkörpern für ihn die Sehnsucht nach dem unverkrampften, von allen Zwängen befreiten Künstlerdasein und Weltoffenheit. Ebenso kommt Pechsteins Gabe zum Vorschein, die Farbe in symbolträchtiger Prägnanz zu voller Geltung kommen zu lassen. Diese Dominanz ist u.a. auf seine Paris-Reise 1907/08 zurückzuführen und den Einfluß von Matisse bzw. den französischen Fauvismus.
Hermann Max Pechstein
Bildnis mit Virginia (Selbstbildnis)
1918
Lithographie auf Velin
38 x 33 cm
Eine Auflagenhöhe ist nicht nachweisbar, nur ein weiteres Exemplar bezeichnet mit 'Eigendruck 1' ist im WVZ genannt, daher handelt es sich bei unserem Blatt um einen wohl extrem seltenen, nahezu einzigartigen Druck.
Modern, forschend und Zigarette rauchend schaut uns Pechstein in seinem Bildnis mit Virginia (Selbstbildnis), 1918 ins Gesicht. Fast als schiene er zu fragen: „Seht ihr auch was passiert?“ Das Erlebte der vergangenen Jahre und die sich rasant verändernde Gesellschaft, all das zeigt Pechstein uns in seinem Blick. Der rasche, versierte Strich, scheint die Geschwindigkeit der Zeit zu illustrieren. Ein eindringliches, fast weises Bild.
Hermann Max Pechstein
Brücke
1912
Holzschnitt auf Japan
19 x 24,5 cm
Unser Exemplar ist eines von 20 Exemplaren dieses Motivs auf Japan, herausgegeben von Wolfgang Gurlitt. Max Pechsteins Engagement ist es zu verdanken, daß im dortigen "Kunstsalon" im April 1912 eine umfassende Ausstellung der Künstlergruppe Brücke eröffnet wird. Es ist ihre erste und bleibt die einzige Gruppenpräsentation in Berlin.
Max Pechstein liebt sie, die „kräftigen Schnitte im Holz, den energischen Riß der Nadel auf dem Metall, das schmeichelnde Hauchen der Kreide über den Stein“ (Pechstein in Gurlitts „Das Graphische Jahr“, 1921). Unser schönes Blatt „Brücke“ ist 1912 entstanden, dem Jahr, in dem Pechstein aufgrund von Spannungen seine Zugehörigkeit zur berühmten Künstlergruppe aufkündigt. Das Motiv kann man als Hommage an seinen Geburstsort Zwickau lesen, dokumentiert es nicht nur den dortigen Steinkohlebergbau, sondern auch den „Röhrensteg“, Sachsens älteste überdachte Holzbrücke aus dem 16. Jahrhundert (sie führt bei Schedewitz über die Mulde). In symbolhaften Linien, weißen wie schwarzen glatten Flächen, teils als Schatten, kommt eine geradezu gewaltige ästhetische Kontrastwirkung zur Geltung.