Hermann Max Pechstein
Bildnis Charlotte Cuhrt (Vorzeichnung zum Gemälde)
Um 1910
Farbige Kreide und Tusche auf dünnem Velin
25,5 x 19 cm
Unsere Zeichnung repräsentiert Pechsteins gefragten expressionistischen Brücke-Stil, der durch äußerst kraftvolle Farbsetzung beeindruckt, die Freiheit und Ekstase von Form und Farbe sind dabei entscheidende Merkmale. Pechstein ist auf dem Höhepunkt seiner Karriere und sein Hang zum Kolorismus, der u.a. auf seine Parisreise 1907/08 und den Einfluß von Matisse bzw. den französischen Fauvismus zurückzuführen ist, kommt auch in unserer farbfrischen Zeichnung nur Geltung. Laut Alexander Pechstein wurde sie wahrscheinlich aus einem Skizzenbuch von Max Pechstein herausgetrennt.
Es handelt sich um eine Vorzeichnung zu Pechsteins Ölgemälde "Bildnis Charlotte Cuhrt" aus dem Jahr 1910. Dieses bedeutende Werk befindet sich seit 2022 als Schenkung in der berühmten Londoner National Gallery of Art. Pechstein führt das Bildnis für ein schwarz gebeiztes Möbelstück aus, als Teil eines umfassenderen Dekorationskonzepts des Architekten Bruno Schneidereit für die großzügige Wohnung der Cuhrts im Kurfürstendamm 152 in Berlin. Die portraitierte Charlotte ist 15 Jahre alt und Tochter von Max Cuhrt, dem erfolgreichen Anwalt und Förderer der Avantgarde. In der Zeichnung ist bereit alles Wesentliche angelegt, die in Rot gekleidete, mit dunklem Hut auf vor einem gelben Schrank sitzende Dargestellte. Pechstein nutzt hier – ebenso wie im Gemälde – die starken komplementären Farbkontraste Rot-Grün und Blau-Gelb, mit denen er maximale Leuchtkraft und Präsenz erreicht.
Hermann Max Pechstein
Fischerboote im Hafen
1922
Aquarell und Bleistift auf Velin
64,3 x 48,5 cm
1922 entdeckt Max Pechstein die aufblühende Hafenstadt Leba im damaligen Hinterpommern, das sich auch als Ostseebad einen Namen gemacht hat. Pechstein begibt sich – nachdem sein Paradies Nidden nach 1920 an Litauen geht – auf die Suche nach einem neuen "Strandquartier", einem Ort, "der nicht von Malern, Touristen und Badegästen überlaufen" ist, wie er in seinen Erinnerungen schreibt. Dort in Leba verbringt bis 1945 die Sommermonate und hier lernt er auch seine seine zweite Ehefrau Marta kennen. In diesem pommerschen Küstenort entstehen Kompositionen mit erneut starker und leuchtender Farbigkeit, aber gemäßigter Form, es ist ein Sich-Selbst-Wiederfinden des Künstlers. Unsere „Fischerboote im Hafen“ zeugen von diesem farbenfrohen Neubeginn des Künstlers. Das Aquarell illustriert die pittoresken unbemannten Fischkutter, die auf dem stillen Wasser des Hafens ruhen. Eine Photographie Erika Kruses aus dem Pechstein Archiv zeigt ihn, im Freien malend, scheinbar vor diesem Motiv stehend: voller Freude und Begeisterung für die heilsame, friedvolle Atmosphäre. Er verwendet in der mit schwungvollem Bleistift gesetzten Zeichnung harmonische und dezente Farbakkorde wie Grün- und Blautöne, hier und da von flirrendem Gelb akzentuiert. bringt er dieses Gefühl von Idylle und Eintracht zwischen Zivilisation und Natur meisterlich zu Papier.
Hermann Max Pechstein
Inder
1910
Rohrfeder und Farbkreide auf Karton (gelaufene Postkarte)
14 x 9 cm
Ein Zeugnis großer Zuneigung ist die vorliegende Postkarte, denn die Empfängerin der Grußworte, Charlotte, genannt "Lotte" Kaprolat, wird 1911 Pechsteins Frau werden. Im Winter 1908/09 hat der "Brücke"-Künstler das junge Mädchen im Berliner Atelier des Bildhauers Georg Kolbe kennengelernt. Bis 1920 wird sie sein bevorzugtes Modell bleiben. Pechstein schreibt:
'Herzlichen Gruß und in der Hoffnung auf baldiges Wiedersehen (unleserlich) […]'
Unser exotischer „Inder“ repräsentiert als Motiv einer Künstlerpostkarte darüberhinaus entscheidende formal-ästhetische Merkmale der frühen Werkphase des Künstlers: den expressionistischen „Brücke“-Stil, die Freiheit und Ekstase der Form und Farbe. In so einem Kleinformat notiert Pechstein, dem ab 1909 als freischaffender Künstler der Durchbruch gelingt, immer wieder Entwürfe für Bilder oder stilistische Errungenschaften. Die Aura von Menschen aus anderen Kulturkreisen faszinieren den Künstler in jenen Jahren, sie verkörpern für ihn die Sehnsucht nach dem unverkrampften, von allen Zwängen befreiten Künstlerdasein und Weltoffenheit. Ebenso kommt Pechsteins Gabe zum Vorschein, die Farbe in symbolträchtiger Prägnanz zu voller Geltung kommen zu lassen. Diese Dominanz ist u.a. auf seine Paris-Reise 1907/08 zurückzuführen und den Einfluß von Matisse bzw. den französischen Fauvismus.
Hermann Max Pechstein
Bildnis mit Virginia (Selbstbildnis)
1918
Lithographie auf Velin
38 x 33 cm
Eine Auflagenhöhe ist nicht nachweisbar, nur ein weiteres Exemplar bezeichnet mit 'Eigendruck 1' ist im WVZ genannt, daher handelt es sich bei unserem Blatt um einen wohl extrem seltenen, nahezu einzigartigen Druck.
Modern, forschend und Zigarette rauchend schaut uns Pechstein in seinem Bildnis mit Virginia (Selbstbildnis), 1918 ins Gesicht. Fast als schiene er zu fragen: „Seht ihr auch was passiert?“ Das Erlebte der vergangenen Jahre und die sich rasant verändernde Gesellschaft, all das zeigt Pechstein uns in seinem Blick. Der rasche, versierte Strich, scheint die Geschwindigkeit der Zeit zu illustrieren. Ein eindringliches, fast weises Bild.
Hermann Max Pechstein
Brücke
1912
Holzschnitt auf Japan
19 x 24,5 cm
Unser Exemplar ist eines von 20 Exemplaren dieses Motivs auf Japan, herausgegeben von Wolfgang Gurlitt. Max Pechsteins Engagement ist es zu verdanken, daß im dortigen "Kunstsalon" im April 1912 eine umfassende Ausstellung der Künstlergruppe Brücke eröffnet wird. Es ist ihre erste und bleibt die einzige Gruppenpräsentation in Berlin.
Max Pechstein liebt sie, die „kräftigen Schnitte im Holz, den energischen Riß der Nadel auf dem Metall, das schmeichelnde Hauchen der Kreide über den Stein“ (Pechstein in Gurlitts „Das Graphische Jahr“, 1921). Unser schönes Blatt „Brücke“ ist 1912 entstanden, dem Jahr, in dem Pechstein aufgrund von Spannungen seine Zugehörigkeit zur berühmten Künstlergruppe aufkündigt. Das Motiv kann man als Hommage an seinen Geburstsort Zwickau lesen, dokumentiert es nicht nur den dortigen Steinkohlebergbau, sondern auch den „Röhrensteg“, Sachsens älteste überdachte Holzbrücke aus dem 16. Jahrhundert (sie führt bei Schedewitz über die Mulde). In symbolhaften Linien, weißen wie schwarzen glatten Flächen, teils als Schatten, kommt eine geradezu gewaltige ästhetische Kontrastwirkung zur Geltung.