Paar (Windsbraut)

Karl Hofer

Paar (Windsbraut)

um 1937
Bleistift auf elfenbeinfarbenem festem Velin
59,6 x 44,6 cm


Die Zeichnung steht in engem Zusammenhang mit dem 1937 entstandenen Gemälde "Im Wind" (Wohlert WVZ-Nr. 1316), heute im Detroit Museum of Arts, USA.

Das Menschenbild ist ein zentrales Thema, dem sich Karl Hofer immer wieder zuwendet. Er hat den Menschen studiert – mit seinen Abgründen, aber auch mit seinen liebevollen und zärtlichen Seiten. So erstaunt es nicht, daß Hofer, der aus einem tiefen Brunnen an Eindrücken schöpfen kann, hier erneut ein ungemein eindringliches Motiv schafft. Der Künstler fängt ein weibliches Paar in einem intimen Moment ein: sie sind unbekleidet, nur in Tücher gehüllt, stehen hintereinander, sich im Arm haltend und scheinen sich des Betrachters nicht bewußt zu sein. Sie sind in ihre eigene Welt eingetaucht und verschmelzen fast zu einer Figur.

Die „Windsbraut“, ein Titel unseres Blattes, ist eine mythologische Figur, die Personifikation des weiblich gedachten Wirbelwindes. Sie wird sowohl in der Literatur als auch in der bildenden Kunst aufgenommen und personifiziert eine ungestüme, unzähmbare, unberechenbare Gewalt, die in der griechischen Version der Geschichte die Menschen in die Unterwelt entführt.

Über Karl Hofer

Geboren: 1878 in Karlsruhe
Gestorben: 1955 in Berlin

Als Sohn eines Militärmusikers wird Karl Hofer im Oktober 1878 in Karlsruhe geboren - er verbringt seine Kindheit im Waisenhaus. Mit 14 Jahren wird Hofer Lehrling in einer Verlagsbuchhandlung. Die Arbeitsabfälle der Druckerei und Lithographien inspirieren den bereits in früher Jugend an Kunst und Literatur Interessierten zur Zeichnung und zum Aquarell. Mit einem Stipendium kann Hofer schließlich 1897 das Studium an der Karlsruher Akademie aufnehmen. Bis 1901 ist er Schüler von Poetzelberger, Kalckreuth und Thoma - Lehrer, von denen er wenig Anregungen für sein ambitioniertes 'Kunstwollen' bekommt;
1901 unternimmt Hofer eine Studienreise nach Paris, wo er den Louvre besucht und u.a. intensiv Cézanne studiert und rezipiert. Dort lernt er auch den einflußreichen Kunstkritiker Julius Meier-Graefe kennen, der ihn fördert und ihn mit bedeutenden Privatsammlungen bekannt macht. Ab 1903 geht der inzwischen verheiratete Hofer nach Rom, wo seine Malerei vor allem den Einfluß des Symbolisten Arnold Böcklin zeigt. Nach weiteren fünf Jahren in Paris entscheidet der inzwischen als Künstler etablierte Hofer sich für Berlin als Ort des Schaffens. Im Kriegsjahr 1914 Jahr wird er in Frankreich interniert und kehrt erst 1920 nach Deutschland zurück.
1922 folgt der Ruf für eine Professur an der Kunsthochschule in Berlin-Charlottenburg, 1923 ist er Mitglied der Preußischen Akademie der Künste. Während des Dritten Reiches wird Hofers Kunst als 'entartet' erklärt, 1933/34 wird er vom Dienst suspendiert und seine Arbeiten 1937 in der Münchner Ausstellung 'Entartete Kunst' gezeigt. Bis zu seinem Tod 1955 lebt Hofer in Berlin und nimmt das Amt des Direktors an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin wahr. Hofers Werk, das seinen Ausgang bei Marées' klassischer Bildwelt nimmt, die er mit Einflüssen von Cézanne kombiniert, nähert sich unter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs an die Neue Sachlichkeit an.