Kirche
Merry Christmas (Three Figures)
Village
Treptow an der Rega

Lyonel Feininger

Kirche

1923
Holzschnitt auf transparentem faserigem, leicht gelblichem Japan
22,7 x 17,4 cm


Unser nahezu singuläres Blatt ist laut dem WVZ eines von vier Abzügen des ersten Zustands. Der einzige publizierte und bekannte Abzug dieser Version, jedoch auf einem anderen Papier, befindet sich im Museum of Modern Art, New York. Später wird von diesem Motiv und dem ersten Zustand Karte 2 aus einer Folge von 20 Postkarten, die aus Anlaß der Bauhaus-Ausstellung in Weimar 1923 erscheinen, gedruckt.

Unser Exemplar verkörpert Feiningers Liebe zu dem Medium Holzschnitt – noch nahezu als Autodidakt entsteht ab 1918 in dieser Technik ein reichhaltiges Werk. Das in Holz geschnittene Motiv demonstriert eindrucksvoll die Kraft und Ausstrahlung des Feininger’schen expressionistischen Holzschnitts, der ihm die Möglichkeit gibt, Ereignisse in der Natur oder Architekturmotive – hier eine Kirche – , nicht naturgetreu wiederzugeben, sondern ihre Formen auf das Elementarste zu reduzieren. Die Kirche mit allen Gebäudeteilen ist in das für Feininger typische prismatisch-kubistische Formgefüge zerlegt und bereits stark abstrahiert.

Lyonel Feininger

Merry Christmas (Three Figures)

Um 1950
Aquarell, Tuschfeder und Goldfarbe auf Velin
7,6 x 11,4 cm


Anfang der 1950er Jahre entstehen zahlreiche kleine, bunt aquarellierte Tuschfederzeichnungen, die lange unbekannt bleiben – sind die humorvollen, fröhlichen oder verschrobenen Strichmännchen doch ausschließlich als Geschenke an Familie oder Freunde bestimmt. Mit typischem kantigen Duktus bringt Feininger mit zarten Linien unsere drei Figuren zu Papier. Die typographische Bezeichnung 'Merry Christmas!' am oberen linken Rand läßt den Anlaß vermuten, zu dem die in Gelb, Orange und Blau gehaltenen Männekins entstanden sind.

Lyonel Feininger

Village

1908
Farbige Kreide auf dünnem Maschinenbütten
16,6 x 10,7 cm


Zwischen 1907 und 1909 vollzieht sich eine Wende in Feiningers Schaffen, er entwickelt sich von einem innovativen, aber auftragsgebundenen Karikaturisten zum frei arbeitenden Zeichner und Maler. Von Paris zieht er 1908 nach Berlin, wo er im Laufe des Jahres mit der Arbeit an seinen heute als bedeutend anerkannten Grotesken- und Mummenschanzbildern beginnt.

Während dieser Zeit, 1908, entsteht „Village“, eines dieser faszinierenden kleinen „Capriccios“ Feiningers, das das einzigartige Gespür des Künstlers für Räumlichkeit, für hintergründigen Humor und das Miteinander von Figur und Architektur offenbart. Das Motiv des Menschen inmitten der Architektur beschäftigt Feininger zeitlebens und so eröffnet die Komposition den Blick auf ein Zusammenspiel von Dächern und Häuserfassaden, einen dreieckigen Platz und fünf Figuren, die diese Szenerie beleben und samt einer Katze zum damals typischen Figurenrepertoire Feiningers gehören. Als Reminiszenz an seine Zeit als Karikaturist steht diese feine Zeichnung mit der hervorragenden Provenienz (Alois Jakob Schardt) beispielhaft für die Werkreihe farbiger figurativer Architekturzeichnungen, die den von Feininger stets angestrebten experimentellen und freien Umgang mit dem Zeichenstift in den Jahren 1908/09 offenbaren.

Lyonel Feininger

Treptow an der Rega

1925
Bleistift auf Velin (am Oberrand perforiert und vom Künstler gelocht)
20,5 x 14,1 cm


Unsere Zeichnung entsteht im Jahr der Schließung des Bauhauses in Weimar, 1925. Diesen Sommer verbringt Feininger wie schon im Jahr zuvor in Deep, das an der Mündung des Flüßchens Rega in Pommern an der Ostsee liegt. Er besucht u.a. die nah gelegenen Ortschaften Cammin, Greifenberg, Kolberg und „Treptow“.
Einmal mehr wird anhand dieser Zeichnung deutlich, wie reichhaltig und künstlerisch wertvoll die „Natur-Notizen“ Feiningers sind. Als eine Art Herzensangelegenheit des Künstlers haben sie grundlegende Bedeutung für sein Œuvre.

Über Lyonel Feininger

Geboren: 1871 in New York
Gestorben: 1956 in New York

Lyonel Feininger wird am 17. Juli 1871 in New York als Sohn eines Konzertgeigers und einer Sängerin und Pianistin geboren. Mit 16 Jahren begleitet er 1887 seine Eltern auf eine Konzertreise nach Europa. Mit Erlaubnis der Eltern besucht der junge Feininger zunächst an der Gewerbeschule in Hamburg die Zeichen- und Malklasse, ein Jahr später besteht er die Aufnahmeprüfung an der Königlichen Kunst-Akademie in Berlin, an der er von 1888 bis 1892 studiert. In Berlin beginnt Feininger früh für Zeitungen und Verlage zu arbeiten, die Nachfrage nach seinen Illustrationen und Karikaturen ist enorm. Ab 1905 widmet sich Feininger zunehmend druckgrafischen Methoden, wobei ein Großteil seiner herausragenden Holzschnitte erst zwischen 1918-20 entstehen, für die er noch heute als bedeutendster Holzschneider des 20. Jahrhunderts gefeiert wird. 1907 unternimmt er erste Versuche in der Ölmalerei, die anfangs noch deutlich impressionistisch-naturalistisch eingefärbt sind. Feiningers Weg vom gefragten Karikaturisten zum Künstler ist eine stetige Erprobung unterschiedlichster Techniken und künstlerischer Ausdrucksmittel und sollte erst durch ein Kubismus-Erlebnis 1911 in Paris in eine für ihn wegweisende Richtung gelenkt werden: Natüreindrücke müssten "innerlich umgeformt und crystalisiert [!]" werden, hat er schon 1907 in einem Brief an seine zweite Frau Julia festgestellt – eine Einstellung, die später in der geometrisch-reduzierten Bildlichkeit mündet. Und ein entscheidendes künstlerisches Kapitel einleitet, für das der Künstler bis heute Bewunderung findet: die Welt kristallin zu gestalten. 1917 findet dessen erste Einzelausstellung in der Berliner Galerie „Der Sturm“ statt, zwei Jahre später gehört er zu den ersten Meistern, die Walter Gropius 1919 ans Bauhaus beruft. Als Meister für die grafische Werkstätte entsteht im gleichen Jahr Feiningers berühmter Titelholzchnitt "Kathedrale" für das "Bauhaus-Manifest". 1926-33 lebt Feininger in Dessau, ist nach der Bauhaus-Umsiedelung zwar noch Meister, jedoch ohne Lehrverpflichtung. 1926 bildet er mit Klee, Kandinsky und Jawlensky die Gemeinschaft „Die Blauen Vier“. 1929-31 entstehen die ikonischen Halle-Bilder. 1937 verlässt Feininger Deutschland und kehrt in sein Geburtsland zurück. Ungefähr 400 seiner Werke werden von den Nationalsozialisten als „entartet“ beschlagnahmt. 1947 wird Feininger Präsident der “Federation of American Painters and Sculptors“. Am 13. Januar 1956 verstirbt Lyonel Feininger in New York City.